Wissenschaftskommunikation in Europa
„Seit es Wissenschaft oder wissenschaftliche Fragestellungen gibt, existiert auch die Kommunikation zwischen und unter den Wissenschaftlern.“
(Ball 2009: 40)
Dabei bezeichnet Wissenschaftskommunikation im engeren Sinne genau diesen Austausch. Wissenschaftskommunikation im weiteren Sinne beschreibt den Austausch und den Transfer mit Nicht-Wissenschaftler*innen. Im Deutschen gibt es dafür keine sprachliche Unterscheidung. Im Englischen bezeichnet „Scholarly Communication“ die Wissenschaftskommunikation zwischen Wissenschaftler*innen und „Science Communication“ die Kommunikation mit den nicht-wissenschaftlichen Kreisen der Gesellschaft. (vgl. Ball 2009: 39)
Nun hatten wir im vorherigen Beitrag das Beispiel von Berger/Luckmann und der Wissensgenerierung von der einen in die andere wissenschaftliche Disziplin. Dieser Beitrag widmet sich dem historischen Überblick von Wissenschaftskommunikation in Europa.
Wissenschaftskommunikation fand geschichtlich betrachtet erstmal über den sprachlichen, kommunikativen Austausch statt. Schließlich kam es bereits mit Aristoteles und Platon zum Richtungsstreit. Während Aristoteles mit der Verschriftlichung seiner Gedanken und Ideen eine neue Ära einleitete, lehnte Platon diesen Ansatz grundsätzlich ab. Es stellte sich im antiken Griechenland die Frage nach dem idealen Medium. Für Platon war das entscheidende Argument für einen mündlichen Austausch die Unmittelbarkeit des Gesprächs: Er konnte sich damit auf sein Zielpublikum einstellen, Rückfragen beantworten und im Diskurs auf Argumente eingehen. Dabei plädierte er, dass im Gespräch echtes Wissen entstehe, während schriftlich niedergelegtes Wissen für Missverständnisse und eine Hierarchie zwischen Autor und Leser sorge. (vgl. Ball 2009: 41)
Für Aristoteles hingegen erweist sich Wissen in der schriftlichen Fixierung als ideale Form. Denn damit gab es die Möglichkeit des Nachlesens und der Repetierbarkeit. Die Schriftlichkeit garantiere räumliche und physische Ungebundenheit, Dauerhaftigkeit und damit die Fixierung des Wissens. Für Aristoteles ist die Mündlichkeit eher als Rhetorik zu verstehen, die mit der eigenen Meinung überzeugen will. (vgl. ebd.) Schließlich löste die Schriftlichkeit prozessartig die Mündlichkeit ab.
Mit Platon wurden 385 v. Ch. Akademien gegründet die reine „Philosophenschulen“ waren. Mit der Schließung dieser Schulen durch Kaiser Justitian (529 n. Ch.) wurden erst im 15 Jahrhundert wieder Akademien in Anlehnung an die antiken (philosophischen) Vorbilder gegründet. Mit Beginn des 17. Jahrhundert beschäftigte man sich zunehmend auch mit naturwissenschaftlichen Fragen und dem Leibniz' Grundsatz „Forschen im Dienste des wissenschaftlichen Fortschritts".
Es bildeten sich weitere Akademien in Europa. Zu den wichtigsten gehören die Royal Society in London (gegr. 1662), die Academie des Sciences in Paris (gegr. 1666) sowie die Kurfürstlich Brandenburgische Societät der Sciencien in Berlin (gegr. 1700).
„Neben ihrer zentralen Aufgabe zur Unterstützung und Förderung von Wissenschaft und Bildung waren die Akademien ein zentraler Ort der Wissenschaftskommunikation“ (Ball 2009: 41 f.)
Die Aufgabe lag also in der Hand der einflussreichen Akademien. Was sagt uns dieser historische Überblick über die heutigen Formen von Wissenschaftskommunikation?
Das Wort Kommunikation leitet sich von lateinsichen commūnicātio „Mitteilung“ bzw. commūnicār „etwas gemeinsam, gemeinschaftlich machen, sich besprechen“ ab. Es kann also Verschiedenes darunter verstanden werden. Platons mündlicher Ansatz klingt damit eher nach “science communication” im Sinne der Übertragung von Wissen in ein Nicht-Wissenschaftliches Publikum, während Aristoteles Ansatz eher der „scholarly communication“ gleichkommt.
Allein die Mitteilung über Wissen z.B. in Form einer Publikation kann dabei nicht ausreichen, denn damit fehlt die zweite lateinische Bedeutung, das „Gemeinschaftlich-Machen“. Damit stellt sich weiterführend die Frage: Wie kann unter heutigen Gegebenheiten mit verschriftlichten Wissen kommuniziert werden?
Ball, Rafael: Wissenschaftskommunikation im Wandel Bibliotheken sind mitten drin. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Band 96. 2009, S. 39-54.
Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.
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