von Lena Buß

Wissenschaft und Sprache I.

Niemand versteht mich, aber alle mögen mich“

Das ‚Sprechen‘ der Wissenschaft bedarf insofern einer Betrachtung, da sie immer in zwei Richtungen spricht: „Sie spricht nach innen und sie spricht nach draußen. Sie spricht mit sich selbst und sie spricht mit der Welt.“ (Graf Kielmansegg 2010: 94)

Was der Politikwissenschaftler Peter Graf Kielmansegg hier beschreibt mag nicht auf jede Wissenschaft zutreffen, gleichwohl ist es unabdingbar wissenschaftliche Erkenntnisse in die Welt zu bringen, unabhängig davon, ob sie nun nach außen oder nach innen spricht. Kielmansegg beschreibt das mit exoterischem (nach außen) und esoterischem (nach innen) Sprechen. Festzuhalten ist, dass Wissenschaftler*innen untereinander immer anders, als mit Außenstehenden sprechen. Ich denke mit Außenstehenden kommt der Alltagssprache eine höhere Bedeutung zu, während innerhalb des Faches in der Fachsprache gesprochen wird. Betrachten wir also in Folge die Sprachen der Biologie und der Physik:

Biologie, so schrieb der verstorbene Biologe Hans Mohr ist die Wissenschaft von Lebewesen (Mohr 2010: 103). Das Objekt dieser Wissenschaft und somit die Ergebnisse und Erkenntnisse betreffen somit gleichermaßen alle Menschen, auch wenn sie sich im speziellen nicht für die Inhalte interessieren. Aber wie spricht die Biologie?

Der Überbegriff der Biologie mit all den Teildisziplinen bis hin zur Medizin und Agrikultur wird als life sciences beschrieben. Die Nationalsprachen, vor allem Französisch und Deutsch verlieren nach Mohr an Bedeutung, denn eine Kunstsprache hat sich in diesen Feldern etabliert. „English two“ ist zur globalen Sprachen dieser Wissenschaften geworden, egal ob in Publikationssprachen oder auf Kongressen (Mohr, 2010: 103). Dabei liegen in der verwendeten Sprache gleichermaßen Inhalte, wie auch Methoden der Wissenschaft.

Die Sprache der Physik, so der ehemalige Professor Josef Honerkamp für theoretische Physik an der Universität Freiburg, ist die Mathematik (Honerkamp 2010: 107). Galilei legte dabei die Grundlage für die Entdeckung der Relativität von Bewegung und Newton fand ein Konzept für die mathematische Darstellung in Form von der Entwicklung der Differenzialrechnung (Honerkamp 2010: 107). Die Physik ist also eine exakte Wissenschaft, dessen Hypothesen sich mit der Sprache der Mathematik, so Honerkamp „spitz auf Knopf“ nachprüfbar machen.

„Mit dem Vordringen in Bereiche der Natur, die unseren Sinnen nicht mehr unmittelbar zugänglich sind, beginnt auch unsere Sprache an einigen Stellen zu versagen“

Heisenberg meint nach Mohr in diesem Zitat unsere Alltagssprache (Mohr 2010: 111). Faszinieren, dass alltäglich Phänomene nicht mehr mit einer alltäglichen Sprache beschrieben werden können, das kennzeichnet vielleicht auch den Wunsch nach verständlicher Literatur zum Urknall oder zur Relativitätstheorie. Das Anfangszitat von Albert Einstein Niemand versteht mich, aber alle mögen mich“ zeigt, dass die Physik von der Gesellschaft anders betrachtet wird als die Biologie oder Gesellschafts- und Sozialwissenschaften. Denn in diesen Fachrichtungen geht es um das Leben selbst und da möchte natürlich jeder, egal ob Wissenschaftler*in oder nicht gleichermaßen mitreden und hat eine Meinung.

Ich möchte damit nicht sagen, dass es die Physik einfacher hätte in ihrer Wissenschaftsvermittlung, aber im Gegensatz zu anderen Wissenschaften darf die Physik mit ihrem Felde des „Großen und Ganzen“ in gewissem Maße für die Allgemeinheit unverständlich und faszinieren zugleich bleiben. Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass man mit Mathematik sowieso nur in eine Richtung sprechen kann, nämlich nach innen. Sie ist damit per sé schlecht übersetzbar. Welche Wissenschaft gehört wird hängt, so denke ich, in hohem Maße davon ab, wie sie spricht, welche Felder sie erforscht und wie sie verstanden wird, denn: „man hört nicht aufmerksam zu, wenn man nicht gut verstehen kann. Und wem man nicht zuhört, wer nicht gehört werden kann, der ist, so könnte man sagen, sprechend sprachlos.“ (Graf Kielmansegg 2010: 93)

 

 

 

 

Literatur:

Graf Kielmansegg, Peter: Die Sprachlosigkeit der Sozialwissenschaften.  In: Kirchhof, Paul: Wissenschaft und Gesellschaft. Begegnung von Wissenschaft und Gesellschaft in Sprache. Heidelberg 2010 :93-103.

Honerkamp, Josef: Die Sprache der Physik. In: Kirchhof, Paul: Wissenschaft und Gesellschaft. Begegnung von Wissenschaft und Gesellschaft in Sprache. Heidelberg 2010 :107-115.

Mohr, Hans: Die Sprachen der Biologie.  In: Kirchhof, Paul: Wissenschaft und Gesellschaft. Begegnung von Wissenschaft und Gesellschaft in Sprache. Heidelberg 2010 :103-107.

Zitat Albert Einstein: Interview New York Times 1942

Bild: Pasja1000 auf pixabay

 


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

Zurück

Einen Kommentar schreiben