von Lena Buß

"Wir und die Anderen"

„Es ist eine bequeme, distanzierte Position, die sich an der Welt nicht die Finger beschmutzt, sondern sie aus sicherer Entfernung verurteilt.“ (Schutzbach 2018: 114)

Im letzten Beitrag haben wir uns mit den Eigenschaften von Frames im politischen Kontext beschäftigt. Unter Framing versteht man den „aktiven Prozess des selektiven Hervorhebens von Informationen und Positionen“. (Stahl 2019: 15) Auch wenn durch diese Technik unsere Interpretationen beeinflusst und gelenkt wird, kann uns das Wissen darüber helfen, aktiv sprachliche Strategien zu hinterfragen und zu reflektieren. Der Mensch ist nicht nur abhängig von seinem Denken und Handeln, sondern auch von dem, was ihn umgibt. Das Verhältnis von Sprache und Politik zeigt sich demnach nicht nur auf individueller, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene.

„Hierfür ist es relevant zu beachten, dass Menschen mittels Sprache zwischen Gruppen von Individuen differenzieren. So teilen die Mitglieder einer Gruppe entweder dauerhafte Eigenschafen, wie das Geschlecht, die Nationalität oder die Religion, oder sie haben gemeinsame Ziele und Aufgaben, wie es bei Vereinen oder Sportmannschaften der Fall ist (Leidner et al. 2015).“ (Jahnen 2019: 126)

Dieses Zitat von Psychologin Verena Jahnen hebt das „Wir“ hervor. Als Individuen haben wir das Bedürfnis zu einer Gruppe, einer Gemeinschaft dazuzugehören. Auf diese Weise bilden sich auch Stereotypen:

„(…) wie z. B., dass ältere Menschen eher langsam und schwerfällig sind, graue Haare haben und aufgrund ihrer Lebenserfahrung Weisheit erlangt haben. Die eigene soziale Identität ergibt sich aus allen Gruppenzugehörigkeiten einer Person wie Alter, Geschlecht, Parteimitgliedschaft, Mitgliedschaf im Sportverein.“ (Jahnen 2019: 126)

Die Gruppen zu denen man sich als Person zuordnet werden als Eigengruppen bezeichnet (Wir). Im Umkehrschluss heißt das, dass Personen anderer Gruppen einer Fremdgruppe zugeordnet werden (die Anderen) (vgl. ebd.). Das mag auf den ersten Blick kein Problem darstellen, doch zeigt sich in Bezug auf sprachliche Strategien in Politik und Medien, dass damit ein Bild von „Wir gegen die Anderen“ oder „Die Anderen gegen Uns“ projiziert werden kann:

“Wenn die populistische Rede etwa einen Kontext konstruiert, in dem Asylsuchende (die Anderen) einseitig auf ihr Gefährdungspotenzial reduziert werden, während die ansässige Bevölkerung (das Wir) lediglich auf die vorgebliche Beeinträchtigung hingewiesen wird, die sie darob [daher] zu erleiden habe, alles andere aber ausgeklammert bzw. anderslautende Wahrheiten schlicht negiert werden, wird es den Angehörigen des >Wir< schwer fallen sich zu entscheiden [...].“ (Stahl 2019: 27)

Mit der sprachlichen Strategie bzw. der Favorisierung der Eigengruppen und der Abwertung von Fremdgruppen, werden nicht nur Vorurteile hergestellt und aufrechterhalten, sondern Menschen ausgegrenzt und ihnen Ursachen zugeschrieben mit ihren angeblichen Eigenschaften für etwas verantwortlich zu sein. Ein "Wir und die Anderen" ist somit erst in der Wirklichkeit vorhanden, wenn wir es sprachlich herstellen. 

Gemäß der Frage „Wohin führt uns unser Wort?“ muss jeder und jede für die eigene Alltagssprache (Sprechen und Hören) Verantwortung übernehmen und sich fragen, ob bestimmte Begriffe, Frames und Zuschreibungen in sozialen Interaktionen verbreitet und fraglos übernommen werden sollten.

 

 

 

 

 

 

Literatur: 

Jahnen, Verena: Die Sprache der AfD und wie sie sich verändert. In: Isemann, Simon und Walther, Eva (Hrsg.): Die AfD – psychologisch betrachtet. Wiesbaden 2019, S. 121-135.

Schutzbach, Franziska: Die Rhetorik der Rechten. Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick. Zürich 2018.

Stahl, Enno: Die Sprache der neuen Rechten. Populistische Rhetorik und Strategien. Stuttgart 2019.


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

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