von Lena Buß

Was bringt uns der Zufall?

„Wir sind eine Spezies, die unheimlich gut darin ist, Muster zu finden, Theorien darüber aufzustellen und damit Vorhersagen zu treffen. […] Sie stellen dabei aus relativ wenigen Datenpunkten eine Theorie auf. Die kann natürlich falsch sein. Aber wir liegen mit diesen Schnellschüssen beeindruckend oft richtig.“1

In diesem Zitat beschreibt der Physiker Florian Aigner das menschliche Verhältnis zu alltäglichen Ereignissen. Dabei vermuten die meisten Menschen, so Aigner, tiefere, bedeutendere Zusammengängen in völlig alltäglichen Situationen. Was bringt es uns für Vorteile, wenn wir uns auf die Macht des Zufalls fokussieren?

„Wenn man sich ständig selber vorwirft, man hätte seine Möglichkeiten in den Sand gesetzt, weil man dieses Niveau nicht erreicht, dann wird man unglücklich. Etwas entspannender und positiver wäre es doch, den Gedanken zuzulassen, dass vielleicht einfach das nötige Glück gefehlt hat.“1

Aigners Aussage spielt dabei auf Verhaltensweisen hin, die individuelle Erfolge begünstigen sollen. Er bezieht sich an dieser Stelle auf den Baseballprofi Dennis Grossini, der an Spieltagen immer zur selben Zeit aufstand, mittags in dasselbe Restaurant ging und dasselbe aß und trank. Nachmittags zog er immer denselben Pullover an und abends konsumierte er  eine bestimmte Sorte Kautabak. Diese Rituale gehörten für ihn zu einem Muster, das ihm seinen Erfolg bescherte (vgl. SZ-Artikel). Ob und in wie weit sich diese Rituale tatsächlich auf seinen Erfolg auswirkten lässt sich zwar nicht messen, dennoch gibt uns dieses Beispiel Aufschluss über menschliches Verhalten.

Jedes Individuum steckt nämlich in seinem eigenen Muster. Mit diesem Muster gehen wir durchs Leben und deuten, ordnen, bewerten und kategorisieren unsere alltäglichen Ereignisse. Der Vorteil in der Anerkennung des Zufalls liege nach Aigner darin, dass man sich von „Vorherbestimmten“ lösen kann und: „Wir lernen dadurch, dass wir nicht alles beeinflussen können. Wenn etwas schiefläuft, heißt das nicht unbedingt, dass wir einen Fehler gemacht haben.“1

Die Macht des Zufalls zu akzeptieren fördert, dass wir ins Handeln kommen, während wir das Unvorhersehbaren und damit die Macht des Gegenwärtigen anerkennen. Das bringt uns insofern Erleichterung, als dass wir uns von dem lösen können, was uns in unsere individuelle Gesetzesmäßigkeit zwingt. Denn das bedingt unsere Bewertungen und unsere individuellen Wahrheiten, bspw. wenn wir etwas als "Fehler" deklarieren. 

Wenn der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Wirbelsturm auslösen kann, dann müssen wir anerkennen, dass wir weit davon entfernt sind, alles um uns herum einzuordnen, zu deuten und bestimmen zu können. 

 

Quellen:

1https://www.sueddeutsche.de/kultur/buch-ueber-den-zufall-wie-viel-einfluss-haben-wir-auf-unser-schicksal-1.3345831

Mehr zur Chaostheorie und dem Schmetterlingseffekt: https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/wie-ein-pfefferkorn-auf-einer-briefmarke/

https://www.mare.de/vom-flugelschlag-zum-wirbelsturm-content-2854


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

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