Vertrauen als Praxis
„Zwei Dinge verleihen der Seele am meisten Kraft: Vertrauen auf die Wahrheit und Vertrauen auf sich selbst.“ Seneca
Das Substantiv Vertrauen definiert das Deutsche Wörterbuch als fester Glaube daran, dass man sich auf jemanden oder etwas verlassen kann. Vertrauen ist ein alltagssprachlicher Begriff, der sämtliche Lebensbereiche durchdringt.
Die Wissenschafts-Zeitschrift Spektrum1 unterscheidet hier zwischen Handlungskontexten: bspw. Familie, Arbeitswelt oder Politik, Artefakten wie z.B. Geld, Gesetze oder Informationen und Akteurs- und Beziehungskonstellationen: z.B. Selbstvertrauen, Vertrauen in Interaktionen wie Freundschaften, Partnerschaften usw.
In der Psychologie führte der Begriff erstmal ein randständiges Dasein, bis mit Erikson (1953) und dem Urvertrauen, der sozialen Lerntheorie sowie dem funktionalistischen Ansatz von Niklas Luhmann (1973), sich immer mehr Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit der Thematik auseinandersetzen:
„Ausgehend von den verschiedenen Definitionen von Vertrauen im Kontext der Psychologie ergeben sich einige interessante Gemeinsamkeiten. Vertrauen ist zukunftsbezogen und beruht zugleich auf Erfahrungen in der Vergangenheit. […] Vertrauen beinhaltet – durch den Verzicht auf Kontrolle –individuelle Verletzbarkeit und erweitert – durch Reduktion von Komplexität– individuelle Handlungsmöglichkeiten.“
Ein Lebensbereich, in dem das Konzept Vertrauen Anwendung findet, sind die Akteurs- und Beziehungskonstellationen (s.o.). Mit der Definition, dass Vertrauen zukunftsbezogen ist und der Erkenntnis, dass Beziehungen erst mit Vertrauen ihre Funktion entfalten, wird deutlich, dass dem Begriff in Zusammenhang mit dem Sprechen also der Interaktion mit uns selbst und mit anderen, eine entscheidende Bedeutung zukommt:
„Vertrauen ist eine Frage der Praxis, nicht der zweifelnden Theorie.“2
Wenn Vertrauen also keine starre Gegebenheit ist, sondern in der Praxis erkennbar wird, so kann Vertrauen geschaffen, geübt und genutzt werden. Das bedeutet, dass wir der Einfachheit ein Stück näherkommen, denn wie oben beschrieben reduziert sich durch Vertrauen Komplexität und eröffnet uns neue Handlungsmöglichkeiten.
Literatur und Quellen:
https://www.dwds.de/wb/Vertrauen
1https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/vertrauen/16374
2Alt, Franz: Liebe ist möglich, München: Piper 1985, S. 51
Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.
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