Wissenschaft und Sprache II.
Und wem man nicht zuhört, wer nicht gehört werden kann, der ist, so könnte man sagen, sprechend sprachlos.“ (Graf Kielmansegg 2010: 93) Was genau meint Graf Kielmansegg?
Zuhören und gehört werden sind gänzlich unterschiedliche Praktiken. Zuhören kann man auch ohne zu verstehen. Ich kann bspw. einer katalanischen Sängerin zuhören, ohne katalanisch zu sprechen, gleichwohl kann ich mich trotzdem von ihrer Stimme berührt fühlen. Ich könnte auch auf einem Vortrag zur Quantenphysik sein und nichts verstehen, obwohl die Sprache deutsch ist und ich dieser Sprachgemeinschaft angehöre.
Jedoch gehört zu einer Sprachgemeinschaft mehr als nur die gemeinsame Sprache, nämlich das Verständnis des Gesagten, also den Sinn dahinter. Der Austausch innerhalb einer Sprachgemeinschaft erfordert Wissen, das aus Regeln und Relevanzen besteht. Und genau da sehe ich den Unterschied zwischen zuhören und gehört werden: gehört werden bedeutet, dass man Relevanz in dem Gesagten sieht, es ansatzweise versteht und somit überhaupt erst die Ebene für weitere Kommunikation bildet und den Stein ins Rollen bringt.
So schrieb ich in Beitrag 13: Welche Wissenschaft gehört wird hängt - so denke ich, in hohem Maße davon ab, wie sie spricht, welche Felder sie erforscht und wie sie verstanden wird. Übertragen auf eine Sprachgemeinschaft bedeutet „Wie sie spricht“, mit welchen Wörtern/ welcher Sprache kommuniziert sie, in welche Richtung spricht sie (nach innen oder nach außen) und welches Wissen setzt sie voraus. „Welche Felder sie erforscht“ meint die Relevanzen innerhalb einer Sprachgemeinschaft und „wie sie verstanden“ wird kennzeichnet das Verständnis, also den Sinn des Gesagten. Sprechweise, Wissen, Relevanz und Verständnis sind nicht unbedingt trennbare Kategorien, dennoch sind sie allesamt essentiell für eine Sprachgemeinschaft.
Eine Wissenschaft, die gehört werden möchte, muss in irgendeiner Weise diesen Kategorien entsprechen. Die wenigsten von uns sind Physiker*innen, dennoch kennen wir die Regeln und Relevanzen von Schwerkraft. Auch sind die wenigsten Meteorolog*innen, trotzdem verstehen wir den Wetterbericht, schließlich sind auch die wenigsten Ornitholog*innen (Vogelforscher*innen) und trotzdem wissen wir, wie eine Krähe aussieht. Wenn Wissenschaften in den sichtbaren Bereich kommen möchten, also außerhalb von ihrem eigenen Kosmos, dann muss sie das Wissen so aufbereiten, dass es den Kategorien einer allgemeinen Sprachgemeinschaft entspricht.
Literatur:
Graf Kielmansegg, Peter: Die Sprachlosigkeit der Sozialwissenschaften. In: Kirchhof, Paul: Wissenschaft und Gesellschaft. Begegnung von Wissenschaft und Gesellschaft in Sprache. Heidelberg 2010 :93-103.
Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.
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