von Lena Buß

Rahmungseffekte

„Individuen wertschätzen sprachliche Hilfestellungen zur Reduktion von Komplexität, die sich gut in bestehendes Wissen einordnen lassen und einfache, spannungsfreie Lösungen anzubieten vermögen.“ (Jahnen 2019: 124)

Im letzten Beitrag wurde hervorgehoben, dass das aktive Nutzen und Entwickeln unserer Alltagssprache eine Funktion erfüllt, nämlich die der Realitätsbeschreibung und der Realitätsschaffung. Gleichzeitig wurde verdeutlicht, dass uns Sprache nicht nur wissentlich umgeben kann, z.B. wenn wir aktiv unserer Alltagssprache gestalten und entwickeln, sondern auch unwissentlich umgibt, z.B. in sozialen Medien, Gruppenchats oder den öffentlich-rechtlichen Medien:

„Sprache [ist] ein Hauptinstrument der Politik und der öffentlichen Meinungsbildung (…). Laut Hans Jörg Schmidt, Sprachforscher der Ludwig-Maximilian-Universität München, spielen Politiker*innen mit der Sprache und mit dem Einsatz von Metaphern, um bestimmte Wirkungen zu erzielen (vgl. Kara und Wüstenhagen 2017). So ist die Metapher vom Euro-Rettungsschirm geschickt gewählt, suggeriert sie doch damit den Schutz des in Not geratenen Staates.“ (Jahnen 2019: 123)

Die Psychologin Verena Jahnen beschreibt hier das aktive Nutzen und Verwenden von Sprache und ihren Möglichkeiten. Z.B. das Verwenden von Metaphern und sprachlichen Mitteln. Im politischen Kontext wird hier von Framing gesprochen. Framing, abgeleitet von dem Englischen Wort „frame“, „Rahmen“ bezeichnet den Rahmungseffekt. Er beschreibt, wie verschiedene Formulierungen und Beschreibungen einer Botschaft unterschiedliche Effekte und Interpretationen beim Empfänger verursachen:

„Mit Frames sind kognitive Deutungsrahmen der Kommunikationsinhalte gemeint, die eine bestimmte Bedeutung nahelegen. Frames wirken oft unbewusst, sind häufig emotional konnotiert (vgl. Wehling 2016) und haben eine besonders suggestive Kraft.“ (Jahnen 2019: 123)

Frames sind also Interpretationsmuster, die an unsere Lebenswelt anknüpfen:

„Der Vergleich der beiden Aussagen: „Steuern sind Diebstahl“, versus „Steuern sind ein Geschenk an die Allgemeinheit“, macht deutlich, wie Aussagen mit inneren Bildern und Erfahrungen verknüpf sind. Ähnliches gilt für Steuerlast vs. Steuerbeitrag. Je nach Framing werden positive oder negative Emotionen und Assoziationen beim Empfänger ausgelöst.“ (Jahnen 2019: 123-124)

Mehrere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen heben an dieser Stelle hervor, dass Individuen im Prozess der Informationsverarbeitung selten die Möglichkeit haben, ihre Interpretation zu reflektieren oder mehrere Betrachtungsweisen bereithalten, sondern auf Grund des geframten Begriffes sich für die Sichtweise entscheiden, die auf emotionaler Ebene oder mit dem individuellen Vorwissen resoniert (vgl. Jahnen 2019: 124 ff.):

Das Anfangszitat deutet genau auf dieses Spannungsfeld hin: Framing vereinfacht komplexe (politische) Sachverhalte und bettet diese in unsere Lebenswelt ein. Unbewusst verarbeiten wir diese Begriffe und versehen sie mit Emotionen, Erfahrungen und Bedeutung. Sprache beeinflusst unsere Realitätswahrnehmung und damit die Ansichten über uns selbst, die Gesellschaft und „die Anderen“ - was bedeutet das für die Frage "Wohin führt uns unser Wort?"

 

 

 

 

Literatur:

Jahnen, Verena: Die Sprache der AfD und wie sie sich verändert. In: Isemann, Simon und Walther, Eva (Hrsg.): Die AfD – psychologisch betrachtet. Wiesbaden 2019, S. 121-135.)


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

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