von Lena Buß

Pluralität: Der Austausch von Perspektiven

„Die Welt, um die es hier geht, ist eine dezidiert menschliche Welt. Sie besteht, wie man mit Arendt auch sagen kann, in einem durch die kommunikative Vermittlung der pluralen Perspektive […].“ (Rebentisch 2022: 30)

Der Begriff Pluralität, von Plural und aus dem lateinischen Wort plūrālis - "aus mehreren bestehend" abzuleiten, wurde im letzten Beitrag in Zusammenhang mit Demokratie und Individualität thematisiert. Mit der Stärkung von demokratischen Strukturen stärken wir auch die Pluralisierung, die es immer mehr Menschen ermöglicht mitzureden und ihre Anliegen zu formulieren. Gleichzeitig unterstützen wir damit das Verändern und Transformieren von bestehenden Normen und Werten. Unsere Gesellschaft ist das Ergebnis aus einer Vielzahl von Individuen, mit ihren eigenen Realitäten, Ideen, Eigenschaften, Träumen und Visionen oder in den Worten von Hannah Arendt, begründet sich Pluralität in der:

„Tatsache, daß nicht ein Mensch, sondern viele Menschen auf der Erde leben und die Welt bevölkern […] daß keiner dieser Menschen je einem anderen gleicht, der einmal gelebt hat oder lebt oder leben wird.“ (Arendt 2001: 17)

Laut der Philosophin Juliane Rebentisch verwirklicht sich Pluralität (in Bezug auf Arendt) erst im Miteinander, das heißt kommunikativ. Denn Sprechend und Handelnd kann sich der Mensch in die Welt „einschalten“. (vgl. Rebentisch 2022: 30). Eine plurale Öffentlichkeit ermöglicht den Austausch von Perspektiven. Das stellt sicher, dass:

„[…] man sich in einer gemeinsamen Welt bewegt, er bringt also gewissermaßen Raum in die Zeit; andererseits treibt dieser Austausch auch Unvorhergesehenes hervor und sorgt auf diese Weise dafür, dass die Zeit nicht gänzlich zum Raum erstarrt, dass die Stabilität der gemeinsamen Welt stets der Ereigniszeit des in ihrem Bezugsgewebe Erscheinenden ausgesetzt bleibt.“ (Rebentisch 2022: 51-52)

Versuche diese Pluralität einzudämmen, ihr „Herr zu werden“ und damit die Öffentlichkeit abzuschaffen enden in einer Katastrophe, das hat die Geschichte der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts gezeigt (vgl. ebd.). Diese Erkenntnis verdeutlicht, dass durch Kommunikation und somit durch den Austausch von Perspektiven, die Freiheit ermöglicht wird, die unsere Welt, unser Handeln und unser individuelles Leben verändern und transformieren kann. Gleichwohl muss an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass:

„Der gesellschaftliche Pluralismus kann nur unterschiedliche Bekenntnisse erlauben, weil und solange er selbst keines ist. Der Begriff ist, wie erwähnt, inhaltsleer und aufnahmebereit für die Überzeugungen der Bürger. Leer bleibt der Hohlraum aber nie.“ (Thomas 2009: 14)

 

 

 

 

 

 

Literatur:

Arendt, Hannah: Vita activa oder Vom tätigen Leben. München 2001.

Rebentisch, Juliane: Der Streit um Pluralität. Auseinandersetzungen mit Hannah Arendt. Berlin 2022.

Thomas, Hans: "Meine Wahrheit - Deine Wahrheit...": Verlangt der gesellschaftliche Pluralismus Abstinenz von Überzeugungen oder ihren Wettbewerb?. In: Thomas Hans und Hattler, Johannes: Glaube und Gesellschaft. Gefährden unbedingte Überzeugungen die Demokratie? Darmstadt 2009, S. 11-19.


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

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