von Lena Buß

Optimismus und Interaktion

Im letzten Beitrag thematisierten wir die unterschiedlichen Formen der Selbstkonzepte. Dabei kann es zwischen den verschiedenen Konzepten des Ichs (Ideal, Real und Normativ) immer zu Abweichungen kommen:

„Dass Menschen versuchen, andere dazu zu bringen, sie so zu sehen, wie sie gesehen werden möchten, ist eine völlig normale Verhaltensweise. Psychologen nennen dies auch impression management (Goffman, 1959). So wie PolitikerInnen versuchen, ihr Handeln im rechten Licht darzustellen, versuchen auch wir, den Eindruck, den wir auf andere machen, zu steuern und zu kontrollieren.“1

Dieses Zitat zeigt die Verstrickung zwischen dem Ideal-/ Real- Selbst in Verbindung mit dem Normativen-Selbst. Wie man der Meinung nach Anderer sein soll, schlägt sich somit auch im Ideal-Selbst nieder, denn es wird dafür genutzt sich selbst (z.B. in den Sozialen Medien) zu präsentieren und damit das Normative, also dass was die „Gesellschaft“ erwartet, zu erfüllen.

Dieses Zusammenspiel kann man auf nahezu alle (Lebens)bereiche beziehen, wie bspw. Schönheit (Ich muss lange Haare haben), Hobbys (Ich muss Sport machen) oder Gesundheit. Es zeigt sich aber auch im Umgang mit unseren Emotionen:

„Früher haben wir uns zur Begrüßung gefragt: "Wie geht es dir?" Heute heißt es meist: "Alles gut?" Übersetzt bedeutet das: Bitte sag einfach, dass es dir gut geht.“2

Die Journalistin Anna Maas beschreibt in einem Interview mit der Zeit das Phänomen toxic positivity. Es ist bisher noch nicht wirklich wissenschaftlich untersucht, beschreibt aber etwas, was wir aus unseren alltäglichen Situationen und Interaktionen kennen:

„Toxic Positivity äußert sich vor allem darin, jeden negativen Gedanken, jedes unwohle Gefühl oder eine unangenehme Reak­tion im Außen mit etwas Positivem ausgleichen zu wollen: Das Gespräch mit deinem Chef ist nicht gut gelaufen? „Aber hey, wenigstens scheint heute die Sonne“. Deine Freundin hat schon wieder eine Job-Absage bekommen? „Die sind ja selbst schuld. Bestimmt wartet da noch eine viel bessere Stelle auf dich.“3

Was hier überspitzt dargestellt ist, bezieht sich vor allem auf den Optimismus, der hier in Interaktion genutzt wird – und zwar nicht nur mit anderen Menschen, sondern auch mit uns selbst. Positives Denken also. Doch was ist falsch an positivem Denken und in welchem Verhältnis steht das mit den genannten Selbstkonzepten?

 

 

 

Quellenangabe

1https://de.in-mind.org/article/wer-bin-ich-wie-sich-facebook-und-co-auf-unsere-selbstwahrnehmung-auswirken

2https://www.zeit.de/hamburg/2021-06/toxic-positivity-die-happiness-luege-anna-maas-positives-denken

3https://www.7mind.de/magazin/toxic-positivity-gefuehle-ehrlichkeit-positiv-denken

Bild von Saydung89 via Pixabay

 


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

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