von Lena Buß

Kognitive Verzerrungen II.: „Augen zu, auf Autopilot schalten, abtauchen.“

„Sie fahren abends von der Arbeit nach Hause, später als üblich, und Ihnen geht von diesem geschäftigen Tag noch vieles im Kopf herum. Die 30-minütige Fahrt verläuft größtenteils über die Autobahn, und als Sie die Auffahrt nehmen, bemerken Sie erfreut, dass der Verkehr nicht so dicht ist wie sonst.“ (DiSalvo 2014: 89)

Was man als „Tagträumereien“ bezeichnen könnte, versteht die Neurologie als default mode network:

„Das Default Mode Network nutzt im Vergleich zu anderen Netzwerken die direktesten anatomischen Verbindungen. Dies führt dazu, dass sich die Aktivität automatisch auf dieses Netzwerk einpendelt, wenn keine äußeren Einflüsse auf das Gehirn einwirken“ 2

Nach Aussage von Andreas Horn tritt dieses Netzwerk also dann auf, wenn von Außen keine Einflüsse an den Menschen herantreten. Sobald wieder äußere Einflüsse z.B. ein Hupen oder ein Klopfen auf uns einwirken wird dieses Netzwerk unterbrochen. „Je zielgerichteter man seine Gedanken wandern lassen kann, desto besser kann man sich aus seinen Tagträumen herausreißen und ins Hier und Jetzt zurückkehren.“ Denn DiSalvo argumentiert: „Ob wir uns im Autopilot-Modus nun für glücklich halten oder nicht, eines ist klar: Unser Gehirn steuert diesen Modus „glücklich“ an […] . (DiSalvo 2014: 95)

„Glücklich“ bedeutet für das Gehirn dabei allen voran: nach Gewissheit und dem Gefühl streben Recht zu haben, auf Erinnerungen zurückgreifen, um dieses Gefühl zu stützen, Zufällen eine bestimmte Bedeutung zuzuschreiben, und Kausalzusammenhänge basierend auf unzureichenden Informationen herzustellen. Das Gefühl haben wollen, Kontrolle auszuüben, Verluste vermeiden wollen und möglichst kein Bedauern empfinden wollen und verallgemeinern, obwohl die Betrachtung als Einzelfall hilfreicher wäre. (vgl. DiSalvo 2014: 4)

Wenn wir verstehen, dass unser Gehirn nach bestimmten Mustern und Vorstellungen arbeitet, die nicht unbedingt mit unseren persönlichen Wünschen und Zielen übereinstimmen müssen, dann können wir in unseren alltäglichen Situationen und Gewohnheiten bewusster entscheiden. "Bewusstsein ist Luxus. Deshalb schaltet das Gehirn so oft es kann auf Autopilot."3 Wenn wir diesen Luxus wahrnehmen und in unseren Gedanken, das heißt in unserer Alltagsprache etablieren, eröffnet sich dadurch ein ganz neues Feld an Möglichkeiten.

 

 

 

Überschrift Zitat: DiSalvo 2014: 78

2 https://www.mpib-berlin.mpg.de/pressemeldungen/gehirn-im-autopilot-modus

3 https://www.welt.de/wissenschaft/article3411612/Die-heimliche-Macht-des-Unbewussten.html

DiSalvo, David: Was Ihr Gehirn glücklich macht... und warum Sie genau das Gegenteil tun sollten. Berlin 2014.


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

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