von Lena Buß

Individualität und Zukunft

„Fast fühlt man sich an Adam und Eva erinnert: keine Wohnung, keine Kleidung, keine Arbeit, nur einen Apfel für beide – und dann mussten sie es noch Paradies nennen.“ (Niklas Luhmann 1984 a: 7)

Der Soziologe Niklas Luhmann bezieht sich in diesem Zitat auf die Individualität eines jeden einzelnen. Denn alle Gesellschaftsteilnehmer sind Individuen und haben somit einzigartige Persönlichkeiten. Das dies aber auch Schwierigkeiten mit sich bringt, zeigt sein Vergleich mit Adam und Eva und dem vermeintlichen Paradies. Was beschreibt Individualität?

Das Wort Individuum bezeichnet den einzelnen Menschen. Mit Individualität ist folglich die Gesamtheit aller Besonderheiten einer Person gemeint.1 Jeder Mensch hat somit bestimmte Überzeugungen, die sich im Handeln und Denken widerspiegeln und dabei auch eine gewisse Konstanz aufweist:

„Diese Vorstellung […] muss sich natürlich in den Interaktionen des Alltags bewähren, und auch das Bewusstsein einer unverwechselbaren Individualität wird ständig durch die Reaktionen der Anderen herausgefordert. Identität ist ein ständiger Dialog, in welchem das Individuum mit sich selbst, d. h. mit seinem spontanen Ich, und mit den vielen, die Reaktionen der Anderen reflektierenden und durch sie reflektierten Ichs steht.“ (Abels 2020: 97-98)

Neben der Individualität kommt hier ein weiterer Begriff zur Geltung: Identität. Der deutsche Wortschatz übersetzt dieses Wort mit der Beschreibung „derjenige, der man ist.“2 Mit dem Zitat wird also deutlich, dass sich der Mensch als Einzelwesen vor allem in Alltagssituationen erfährt und damit festlegt, welche Identität, das heißt welche Überzeugungen er wählt und damit in Zukunft anwendet.

Das einleitende Zitat von Luhmann verstehe ich als Hinweis auf genau diese Schwierigkeit. Zwar sind wir alle Einzelpersonen mit unseren persönlich festgelegten Werten und Überzeugungen und doch können wir unsere Individualität erst mit anderen Menschen erfahren und beweisen. Die Macht der Individualität besteht also einerseits darin, dass wir selbst festlegen wer wir sein wollen und uns selbst erfinden und andererseits in der alltäglichen Praxis uns als die selbst erfundene Person darzustellen und zu interagieren.

Wie in den letzten Beiträgen deutlich gemacht wurde, besteht die Gesellschaft aus sozialer Interaktion und damit auch aus bestimmten Ordnungen, Strukturen und Sinngehalten. Die Macht sich selbst in diesem Rahmen zu erfinden haben alle Teilnehmenden der Gesellschaft. Umso mehr sich das der Mensch verdeutlicht, umso aktiver kann er seine Zukunft gestalten. Denn alles, was wir haben und sein wollen zeigt sich in unseren alltäglichen Gedanken, Handlungen und Interaktionen.

Die Zukunft ist somit keine Konstante von dessen Zustand wir abhängig sind, sondern eine Variable, die wir festlegen.

 

 

 

 

1https://www.dwds.de/wb/Individualit%C3%A4t

2https://www.dwds.de/wb/Identit%C3%A4t

Literatur:

Abels, Heinz: Soziale Interaktion. Hagen 2020.

Luhmann, Niklas: Individuum und Gesellschaft. Universitas 39: 1–11 (1984). 


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

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