von Lena Buß

Good Vibes only?!

„Unangenehme Emotionen ständig mit etwas positivem auszugleichen ist hart gesagt Verdrängung. Wir wollen das Negative nicht fühlen, also suchen wir uns einen positiven Aspekt an der Situation, an dem wir uns festhalten können.“1

Im letzten Beitrag wurde der Begriff toxic positivity thematisiert. An einer positiven und optimistischen Grundhaltung ist ja erstmal nichts verkehrt. Sie kann uns motivieren, hoffnungsvoll stimmen oder uns in herausfordernden Momenten unterstützen. Doch wie im einleitenden Zitat beschrieben unterscheidet sich toxic positivity von solch einer Grundhaltung. Warum kann Positivität toxisch, also schädlich werden?

Seit den 1997er Jahren wissen wir durch die psychologische Forschung und ihre Experimente, dass sich Emotionen verstärken, wenn wir sie unterdrücken.2 Diese Erkenntnis bedeutet im Umkehrschluss, dass wir mit diesem Verhalten uns langfristig nicht helfen, vielmehr verstärken wir die ursprüngliche Emotion:

„Das Unterdrücken von Gefühlen kann schwerwiegende Folgen haben. Das Verstecken und Abstreiten von Gefühlen setzt den Körper unter enormen Stress, was zu erhöhtem Blutdruck führt. Die Folge davon können Herzerkrankungen, sowie Augen- und Nierenschäden sein. Der Zusammenhang zwischen Repression und erhöhtem Blutdruck ist eindeutig nachgewiesen [vgl. 9, S. 649]. Außerdem können sie psychische Krankheiten wie Depressionen und Angststörungen auslösen [vgl. 10].“3

Wer seine negativen Emotionen, Gedanken und Gefühle ignoriert, der schadet sich nicht nur selbst, er nimmt sich auch die Möglichkeit aktiv zu gestalten. Das bezieht sich nicht nur auf uns selbst, sondern auch auf die Beziehung mit anderen Menschen und die Interaktion mit ihnen.

„Es ist nicht einfach, negative Gefühle auszuhalten, aber es ist wichtig, um die dahinter liegenden Probleme anzugehen. Das Mantra Good vibes only, also Fröhlichkeit um jeden Preis zur Schau tragen zu müssen, ist weder authentisch noch gesund.“4

Mit dem bekannten „Good-Vibes-Only“ bin ich also nur wenig im Einklang mit meinen Selbstkonzepten (Real-, und Ideal-Ich). Hinzu kommt, dass ich damit meinem Umfeld das Gefühl gebe, es muss diese „Good Vibes“, also die grundsätzliche Positivität in die Interaktion mitbringen ohne von ihr abweichen zu dürfen. Was ist also die Lösung?  

„Ein ehrliches Auskotzen und ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft schließen einander nicht aus. In bin nicht gegen Optimismus, sondern vielmehr für ein authentisches Gefühlsleben.“5

Die Autorin Anna Maas beschreibt hier gleichermaßen amüsant wie auch anschaulich wie man eine neue Erzählung über sich selbst und die Situation entwickeln kann: Rauslassen welche Emotionen man fühlt, sich „beschweren“, um dann die Lücke zu schließen zwischen dem Real- Ich und dem Ideal-Ich (siehe Beitrag vom 6. Mai) und festzustellen, was fehlt. Allein das zu formulieren hilft, eine zukunftsorientierte Grundhaltung zu pflegen und sich damit alle Möglichkeiten offen zu halten dass eigene Leben aktiv zu gestalten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen

1https://www.7mind.de/magazin/toxic-positivity-gefuehle-ehrlichkeit-positiv-denken

2https://www.semanticscholar.org/paper/Hiding-feelings%3A-the-acute-effects-of-inhibiting-Gross-Levenson/f2b1d2302bc3d69695823dbaec3b49bf30747244?p2df

3https://ereignishorizont-digitalisierung.de/gesellschaftspolitik/toxic-positivity-im-influencer-marketing/

4,5https://www.zeit.de/hamburg/2021-06/toxic-positivity-die-happiness-luege-anna-maas-positives-denken?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

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