von Lena Buß

Die bestmögliche Version der Wahrheit

„Wenn die Zuschauer nicht zufrieden sind mit dem was du sendest, dann liegt es wahrscheinlich nicht an ihnen, sondern an dir. Also musst du wahrscheinlich was ändern. Wir Journalisten sind viel besser im Reden als im Zuhören. Vielleicht sollten wir uns einfach mal anhören, was die Kritiker sagen.“ (Haagerup)

Die letzten Beiträge befassten sich alle mit demselben Thema: Medienkritik. Die Kritik kann dabei verschiedene Bereiche betreffen: Wie über bestimmte Ereignisse berichtet wird und was dabei ausgesprochen wird, also das Inhaltliche und das, was wir letztlich wahrnehmen. Wer über bestimmte Themen spricht, mit welchem Hintergrund und Verbindungen, also die Organisation, Rezeption und Arbeitsweise. Und letztlich kann sich die Kritik auch auf die Haltung der Medienschaffenden beziehen.

Viele Menschen werfen den Medien Manipulation und Instrumentalisierung vor und vor allem: mangelnde Neutralität. Wie wir in den letzten Beiträgen gesehen haben, funktioniert Journalismus aber ohne eine demokratische und liberale Grundhaltung nicht, denn sie ist der Ursprung von Meinungsfreiheit. Was meinen dann die Menschen, die sagen Medien seien nicht neutral oder objektiv genug? Sie meinen damit, dass sie sich und ihre Meinung nicht abgebildet fühlen.

Der NDR geht in seiner Reportage „Medien in der Vertrauenskrise: Was zu tun ist“ auf die Berichtserstattung der Flüchtlingskrise in 2015 ein. Ein einfaches Beispiel macht deutlich, wie es zur Repräsentations-Problematik kommt: Im August 2015 sagen auf die Frage „Kann Deutschland die vielen Flüchtlinge verkraften?“ 37% „Nein“. Das sind 24 Millionen Menschen. Kritische Stimmen gehen laut dem NDR anfänglich unter, auch wenn bspw. der Spiegel und die Welt sie versucht haben zu repräsentieren. Folgerichtig, fragt sich derjenige, der zu den 37% gehört, wo er in der Medienlandschaft abgebildet wird. 

Ulrik Haagerup vom dänischen Sender DR sagt gegenüber dem NDR über die damalige Berichtserstattung:

„Die Deutschen Medien haben den Menschen damals nicht die bestmögliche Version der Wahrheit präsentiert, so wie sie es tun sollten. Sie haben ein Bild gezeigt, wie sie es sich als Journalisten, als Elite für die Gesellschaft wünschen. Es ist nicht verboten Angst zu haben, wenn tausende Flüchtlinge aus fremden Kulturen zu uns kommen. Ob das auch meine Meinung ist, ist egal. Aber wenn sie jemand hat, ist das völlig legitim. Also sollten wir sie auch abbilden.“

Haagerup spricht in diesem Zitat die bestmögliche Version der Wahrheit an. Es ist nicht verkehrt, dass Medienschaffende eine Wunschvorstellung für die Gesellschaft haben, aber ihre Aufgabe ist eben auch die Repräsentation aller Menschen ihren Vorstellungen, sofern diese einer demokratischen Haltung entsprechen. Die Gefahr liegt darin, dass die Menschen, die sich nicht mehr abgebildet fühlen das Vertrauen verlieren und sich nicht nur abwenden, sondern sich gleichermaßen alternativen Medien, die den demokratischen und liberalen Rahmen vielleicht nicht wahren, zuwenden.

Die bestmögliche Version der Wahrheit hat nichts mit „der Wahrheit“ zu tun. Sie ist jene Version, die am besten die verschiedenen Realitäten und Wirklichkeiten unserer Gesellschaft abbildet. Ob diese richtig oder falsch sind, ist nicht wichtig, denn die Wahrheit ist je nach Sichtweise immer eine andere und sofern der Rahmen gewahrt wird, ist in einer bewegten Gesellschaft auch ein bewegtes Bild zu erkennen.

 

 

 

 

 

 

 

Beitrag NDR: https://www.youtube.com/watch?v=_rtDxFF54lk


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

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Kommentar von Klee Rita |

Hallo Lena,
ich freue mich immer wieder, dass wir der öffentlichen Debatte voraus sind.
(Lanz/Precht/Welzer/Amann/Alexander am 29.9.22)

Viele Grüße
Rita Klee