Der individuelle Filter
“People don't just get upset. They contribute to their upsetness.” (Albert Ellis)
Wenn wir in einer alltäglichen Situation auf ein Ereignis reagieren, dann kommt unsere Reaktion nicht in direkter Folge, sondern erst nach unserer individuellen Beurteilung. Diesen Zusammenhang beschrieb der Psychologe Albert Ellis in seinem ABC-Modell.
Ein typisches Beispiel hierfür ist, dass eine Bekannte an Ihnen vorbeiläuft und Sie nicht grüßt. Das nennt Ellis das aktivierende Ereignis (Activating event). Daraufhin bedingt unsere Beurteilung (Belief) die Reaktion (Consequence) auf dieses Ereignis. Unsere Überzeugungen spiegeln dabei unsere Annahmen und Interpretationen wider, also wie wir das Ereignis beurteilen. Diese Beurteilung bedingt unsere Reaktion, die dann unser Verhalten und unsere Gefühle verursacht.
Zurück zum Beispiel: Ich könnte mir in dieser Situation denken, dass mich meine Bekannte nicht grüßt, weil sie mich bewusst ignoriert oder sie mich einfach nicht mehr mag (Beurteilung). Daraufhin fühle ich mich schlecht, bin verunsichert oder sogar wütend (Reaktion =Konsequenz). Ich könnte mir in dieser Situation auch denken, dass sie in Gedanken war, mich vielleicht nicht bemerkt hat oder es ihr einfach nicht gut geht (Beurteilung). Damit wäre ich neutral gestimmt und suche vielleicht sogar das Gespräch (Konsequenz). Die Beurteilung, die ich in diesem Beispiel vornehme könnte man auch als Wahrnehmungsfilter eines jeweiligen Ereignisses bezeichnen. Mit welchem Filter geht es mir persönlich wohl besser?
Das ABC-Modell wurde von Ellis für therapeutische Zwecke erweitert. Denn die Problematik bei der ersten Beurteilung ist, dass sich das ABC-Model sehr leicht in eine ABC-Spirale verwandelt: Unser Gehirn hat mit dem Wahrnehmungsfilter nämlich den Grundstein gelegt, um Beweise für die gestellten Annahmen und Schlussfolgerungen zu finden. Das wäre bspw. „Sie konnte mich wahrscheinlich noch nie leiden“ oder „Am letzten Geburtstag war ich wohl zu forsch, vielleicht habe ich sie vor den Kopf gestoßen.“ So geht das ganze Spiel weiter, bis unser Gehirn überzeugt davon ist, dass wir „richtig“ liegen.
Auch der Kommunikationswissenschaftler und Psychologe Paul Watzlawick hat dieses Phänomen in „Die Geschichte vom Mann mit dem Hammer“ bzw. in seinem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ thematisiert (zum Nachlesen siehe unten). Um dieser Anleitung nicht folgen zu müssen, schlägt Ellis vor mit einer Auseinandersetzung (Dispute) der Beurteilung einen gegenteiligen Effekt (Effect) zu verursachen. Das bedeutet im Klartext sich zu fragen: „Welchen Filter möchte ich auf dieses Ereignis legen?“ und wenn ich ihn festgelegt habe zu fragen „Dient mir dieser Filter?“
Quellen:
https://nlp-zentrum-berlin.de/infothek/nlp-psychologie-blog/item/abc-modell-albert-ellis
„Der Mann mit dem Hammer“: https://www.leadership-seminare.ch/docs/kc/Mann-Hammer-Watzlawick.pdf
Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.
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