Der "Frame" und seine Eigenschaften
„Der Sprache und ihrem Gebrauch kommt bekanntlich eine zentrale Bedeutung zu (…). Neue Key Words werden in Umlauf gebracht, bekannte Worte werden durch Verformung oder semantische Umkehrung umfunktioniert.“
(Stahl 2019: 15)
Im letzten Beitrag wurde hervorgehoben, dass Sprache und ihre Mittel aktiv genutzt und verwendet werden können. Vor allem in der Politik und in der öffentlichen Meinungsbildung werden häufig Metaphern und sprachliche Mittel eingesetzt. Der vorgestellte Begriff Framing beschreibt dabei, wie verschiedene Formulierungen und Beschreibungen einer Botschaft unterschiedliche Effekte und Interpretationen beim Empfänger verursachen.
Psychologin Verena Jahnen stellt in Bezug auf den niederländischen Politikwissenschaftler Hans De Bruijn verschiedene Eigenschaften von Frames vor (vgl. 2019: 124-125):
„Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt, lehre ihn Fischen, und er wird nie wieder hungern.“
Dieses Zitat stammt vom chinesischen Philosoph Laotse. Auch De Brujin und Jahnen benutzen dieses Zitat als Beispiel: Man solle armen Menschen keinen Fisch geben, sondern ihnen das Angeln beibringen! Intuitiv würden wohl viele dieser Aussage zustimmen. Es klingt plausibel. Genau das ist eine Eigenschaft von Frames: Sie sind eingängig und bleiben im Gedächtnis. Wenn bspw. (rechte) Parteien Äußerungen tätigen, dass sie Kriminalität bekämpfen und Sicherheit schaffen wollen, kann man wohl auch sehr leicht zustimmen, obwohl es objektiv keinen Anlass dafür gibt: Die Kriminalität ist seit Jahren rückläufig.1 Nichtsdestotrotz werden durch solche Äußerungen bewusst Ängste und Interpretationen verursacht.
Frames knüpfen dabei auf emotionaler Ebene an, vereinfachen komplexe Sachverhalte und benennen nicht nur Schuldige, sondern fokussieren dabei auch einen möglichen „Retter“:
„(…) ein (Märchen-)Schema aus Opfer, Übeltäter und Held, welches beim politischen Framing zu finden ist. Dieses einfache Schema triggert Emotionen und vereinfache die komplexe Realität. In einer Rede zur Bundestagswahl beim Kyffhäusertrefen 2017 spricht Björn Höcke von einem Schaden, den das politische Establishment zu verantworten hat (Der Flügel 2017). Die Übeltäterin wird konkret als Frau Merkel benannt. Das Publikum ruft: „Merkel muss weg!“ (Der Flügel 2017, 12:05–12:28). Die AfD nimmt die Rolle des Helden ein, der die Bürger aufklärt und vor Schaden warnt.“
(Jahnen 2019: 125)
Erkennen wir die Eigenschaften von Frames, so kann dieses Wissen uns helfen, unseren freien Geist zu schützen. Auch wenn durch die Technik des Framings unsere Interpretationen beeinflusst und gelenkt werden, können wir nach wie vor für uns entscheiden, wie wir die Wirklichkeit sehen möchten und uns damit die Welt erfinden. Der Mensch auf dem Meer ist nicht nur abhängig von seinem Denken und Handeln, sondern auch von dem was ihn umgibt. Das Verhältnis von Sprache und Politik zeigt sich demnach nicht nur auf individueller Ebene. Was bedeutet das in Bezug auf die Gesamtgesellschaft und für uns Menschen als Gemeinschaft?
Literatur:
Jahnen, Verena: Die Sprache der AfD und wie sie sich verändert. In: Isemann, Simon und Walther, Eva (Hrsg.): Die AfD – psychologisch betrachtet. Wiesbaden 2019, S. 121-135.
Stahl, Enno: Die Sprache der neuen Rechten. Populistische Rhetorik und Strategien. Stuttgart 2019.
1 https://www.dgb.de/themen/++co++ec19b89a-9ea2-11eb-b2bf-001a4a160123
Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.
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