von Lena Buß

Begriffe und Denkbilder

“Die Strategien zu kennen, nimmt einen in die Verantwortung und zerschlägt die (schöne) Hoffnung, dass die aktuellen Entwicklungen zufällige Ereignisse oder Ausrutscher in einer ansonsten liberalen Fortschrittsgeschichte sind.“ (Schutzbach 2018: 28)

In den letzten Beiträgen haben wir sprachliche Mittel der Politik und der öffentlichen Medien betrachtet. Sprache wird als Strategie in der öffentlichen Meinungsbildung und Politik genutzt. Sie begreift damit nicht nur das Sprechen und Hören, welche Kommunikation und soziale Interaktion ermöglicht, sondern auch das aktive Nutzen von sprachlichen Strategien, um Interpretationen, Denkbilder und Diskurse zu prägen.

„Besondere Bedeutung kommt in der metapolitischen Praxis dem Lancieren bestimmter Begriffe zu, also der Spracharbeit – wie Sellner es exemplarisch formuliert: „Wer die Begriffe definiert, der bestimmt das Denken und damit das Tun.“ (Stahl 2019: 81) Martin Sellner, auf den sich Stahl in diesem Zitat bezieht ist Autor und Sprecher der rechtsextremen österreichischen identitären Bewegung.1

„Die intellektuellen Teile der extremen Rechten versuchen dafür neue, unbelastete Begriffe zu prägen, die ihren wahren Gehalt erst einmal verschleiern.“ (Stahl 2019:81)

Ein gutes Beispiel ist dafür ist der Begriff Ethnopluralismus. Ursprünglich von Henning Eichberg benutzt für die „Integrität fremder Kulturen gegenüber postkolonialistischen Eingriffen“ (ebd.). Der Inhalt des Begriffs Ethnopluralismus dient der Rechten in ihrer Rhetorik:

„Alle Völker haben ein Recht auf ihre Heimat und ihre ethnokulturelle Identität! Jedes Volk ist erhaltenswert – also auch unseres!“ (Kubitschek 2018: 49)

Was Kubitschek hier intellektuell umschmückt ist nichts anderes als ein „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ (vgl. Stahl 2019: 82). Wir erinnern uns an den vorherigen Blogbeitrag über Fremd- und Eigengruppen und die Wir-gegen-die -Anderen-Rhetorik. Nichts destotrotz sickern Begriffe und Denkbilder aufgrund ihres vordergründigen Konsens in die Politik und die öffentliche Meinungsbildung ein. Betrachten wir die Motive und Strategien der Neuen Rechten, so wird sichtbar, dass sie sprachliche Strategien nutzten und daraus auch kein Geheimnis machen:

“Die identitäre Reconquista ist in erster Linie eine Rückeroberung des eigenen Denk- und Sprachraums [...] das Ziel ist die Eroberung der Machtmittel der kulturellen Hegemonie, welche die herrschenden Ideen und Begriffe erzeugen, also der Massenmedien, der Kunst, der Kultur und des öffentlichen Raumes.” Martin Sellner2

Verdeutlichen wir uns, dass (rechte) Bewegungen und Parteien aktiv Begriffe positionieren, „Spracharbeit“ betreiben und damit öffentliche und politische Diskurse prägen, so müssen wir nicht nur Verantwortung für unsere eigene Sprache übernehmen, sondern auch die Frage stellen wie und warum rechtspopulistische Rhetorik funktioniert.

 

 

 

 

 

1Martin Sellner kommt eine besondere Rolle in der Neuen Rechten in Deutschland zu, da er für das von dem Verleger und Publizist Götz Kubitschek (Neue Rechte) gegründeten Institut für Staatspolitik (Ifs) aktiv ist. Das Ifs ist sozusagen der intellektuelle Überbau der Neuen Rechten. Es publiziert Zeitschriften, Webblogs und gilt als „Denkfabrik“ der Neuen Rechten

2 Zitiert nach Stahl s.u. (2019: 84)

Literatur: 

Kubitschek, Götz: https://sezession.de/8033/fuenf-lehren-nachruf-auf-armin-mohler bzw. In: Provokation, Schnellroda: Antaios 2018.

Schutzbach, Franziska: Die Rhetorik der Rechten. Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick. Zürich 2018.

Stahl, Enno: Die Sprache der neuen Rechten. Populistische Rhetorik und Strategien. Stuttgart 2019.


Über Lena Buß

Kulturwissenschaftlerin, aufgewachsen in Offenburg. Mit European Talk folgt sie ihrem Bedürfnis nach einer bewussten und zukunftsorientierten Sprache. Bachelorstudium in Kulturanthropologie und VWL an der Universität Freiburg, aktuell im Masterstudium.

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